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September 2025: Album des Monats

Teil 1 der essenziellen Alben aus dem September findet ihr hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier, die Mixe hier, die Compilations hier.

Valentina Magaletti & YPY – Kansai Bruises (AD 93)

Und schon wieder eine: die britisch-italienische Schlagzeugerin, Perkussionistin und Komponistin Valentina Magaletti hört nicht auf. Ständig neue Veröffentlichungen. Ständig neue Kollaborationen. 2024 mit der afro-portugiesischen Produzentin Nídia und dem belgischen Duo Jeugdbrand. Bei der ersten Kooperation traf Kuduro auf Post-Punk und experimentelle Elektronik. Bei der zweiten Elektronik auf Drone. 2025 hat sie mit der französischen Poetin Fanny Chiarello, mit der Magaletti auch das Label und den Verlag Permanent Draft betreibt, bereits das Album Gym Douce veröffentlicht. Dieses bringt freie Improvisation, Elektroakustik und Jazz zusammen, vereint mit Spoken Words von Chiarello. Magalettis Vielseitigkeit manifestiert sich auch in den Bands, in denen sie spielt. Allen voran Holy Tongue und Moin, die beide 2024 ein Album veröffentlichten. Wer recherchiert, wie oft sie mit ihren Bands und anderen Formationen live spielt, fragt sich: Hat sie ein Zuhause? Ja, sie hat eins. Die Musik. Und nicht allein aufgrund ihres Instruments – des Schlagzeugs, das sie tiefgründig beherrscht und mit dem sie fieberhaft Rhythmen, Grooves und neuartige Beat-Nuancen erkundet. Sie schätzt auch den klanglichen Austausch, die Elektrizität, die entsteht, wenn Künstler:innen durch Sound miteinander kommunizieren. Das war früher besonders ihrem Projekt Tomaga anzumerken. Derzeit sind Moin live auf einem besonderen kommunikativen Plateau, einem Zeitfenster, das bei Bands nicht immer ewig hält.

Auch Kansai Bruises, ihr neuestes Album, ist eine Kollaboration. Eingespielt mit dem in Osaka lebenden Produzenten Koshiro Hino alias YPY. Es hat alles, was ihre Kunst auszeichnet. Es ist entdeckend, öffnet Fenster, elektronisch und rhythmisch. Der Japaner ist der perfekte Partner für abenteuerliche Expeditionen. Als Mitglied der experimentellen Band Goat lotet er fesselnd die Grenzen von Jazz, Rock, Minimal und Elektronik aus. Mit dem Cellisten Yuki Nakagawa bildet er Kakuhan, ein Duo, dessen Album Metal Zone beispiellos experimentierend Cellospiel und Elektronik vereint. Zudem betreibt Hino die Labels birdFriend und NAKID, die oft seine eigene Musik präsentieren. Als YPY veröffentlicht er dort regelmäßig. Aber auch auf Labels wie Acido Records, Cav Empt oder EM Records. Solo bewegt sich Hino zwischen Experimental, IDM, Minimal Techno, House, Avantgarde Jazz, Dub oder Hip-Hop. Perfekte Grundlagen für gemeinsames Arbeiten an unbeanspruchter Musik und frischer rhythmischer Dramaturgie.

Der Opener „One Hour Visa” wirbelt mit nervöser Perkussion in ein wendiges Album hinein. Hier afrikanische Grooves, da Lateinamerika. Im Hintergrund zuweilen begeistertes Ächzen von Magaletti, aufgenommen durch das Raummikrofon und evoziert durch Hinos feinfühlige Synthschleifen, die sich mit viel Drama an ihrem Drumming hochziehen. Ruhigere Kompositionen wie „Float” oder „Lantern Lit Run” entführen mit Suspense in kraftvolle Drumzonen, metallische Klangstrukturen und elektronische Sounds. „Pesto” beschließt das alles und bündelt mit hektischem Jazz-Schlagzeug und wirbelnden Synth-Sounds den pulsierenden Charakter dieser Musik perfekt. Ein Album voll subtiler Elektronik und polyrhythmischer Perkussion, deren Austausch eine Schwerelosigkeit erzeugt, die an Ricardo-Villalobos-Tracks wie „Samma” oder „Bredow” erinnert. Es wird spannend, das live zu erleben. Sicher wird es die beiden auf die Bühne ziehen. Jeder ambitionierte Promoter für aktuelle experimentelle Musik muss sich auf sie stürzen. Zu verlockend ist dieses musikalische Dokument zweier zeitgenössischer Künstler, die sich am liebsten auf der Bühne ausdrücken. Wer zufälligerweise am 14. Oktober in London ist, kann Valentina Magaletti & YPY im Ormside Projects erstmals live erleben.

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